Language of document : ECLI:EU:C:2015:666

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 6. Oktober 2015(1)

Rechtssache C‑308/14

Europäische Kommission

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

(Vertragsverletzungsklage der Kommission gegen das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 4 – Gleichbehandlung beim Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit – Familienleistungen – Aufenthaltsrecht – Richtlinie 2004/38/EG – Nationale Regelung, die die Beihilfe und die Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen Personen verweigert, die kein Aufenthaltsrecht im betreffenden Mitgliedstaat haben“





1.        Die Kommission wirft dem Vereinigten Königreich vor, dadurch gegen die Verordnung Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit(2) verstoßen zu haben, dass es bei einem Antrag auf bestimmte soziale Leistungen eine „Prüfung des Aufenthaltsrechts“ der Antragsteller verlange. Diese Prüfung sei mit dem Sinn der genannten Verordnung nicht zu vereinbaren und bewirke zugleich eine Diskriminierung.

2.        Damit steht der Gerichtshof erneut, ebenso wie in den unlängst entschiedenen Rechtssachen Brey(3), Dano(4) und Alimanovic(5), vor der Frage nach dem Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 883/2004 und der Richtlinie 2004/38(6). Und auch hier stellt sich die Frage, ob es legitim ist, die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im genannten Kontext der Behandlung sozialer Leistungen zu berücksichtigen, allerdings mit bedeutsamen Unterschieden: Was in den erwähnten Vorabentscheidungsersuchen ein Problem der Auslegung der genannten Richtlinie mit gewissen Auswirkungen auf die Verordnung Nr. 883/2004 war, ist jetzt ein Problem der Einhaltung dieser Verordnung, bei dem darüber gestritten wird, ob es unter den in dieser Rechtssache vorliegenden Umständen überhaupt sachgerecht ist, die genannte Richtlinie anzuwenden.

3.        Der gegenüber dem Vereinigten Königreich eigentlich in erster Linie erhobene Vorwurf einer diskriminierenden Behandlung erfordert im Wesentlichen die grundlegende Unterscheidung zwischen zwei Fragen: Zum einen geht es um die grundsätzliche Frage, ob die Funktionsfähigkeit der genannten Verordnung verlangt, die Vorschriften der Richtlinie 2004/38, die für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat als seinem eigenen gelten, in Klammern zu setzen; und zum anderen um die davon grundlegend verschiedene Frage nach den Umständen und Bedingungen, unter denen, wenn überhaupt, die Prüfung dieses rechtmäßigen Aufenthalts mit dem ausdrücklichen Diskriminierungsverbot in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 vereinbar ist.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 883/2004

4.        In Art. 1 Buchst. j und z der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

j)      ‚Wohnort‘ den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person;

z)      ‚Familienleistungen‘ alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.“

5.        Art. 3 Abs. 1 Buchst. j dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

j)      Familienleistungen.“

6.        Art. 4 („Gleichbehandlung“) der genannten Verordnung bestimmt:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

7.        In Art. 11 Abs. 1 und 3 Buchst. e der Verordnung heißt es:

„(1)      Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3)      Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

e)      jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.“

8.        Nach Art. 67 der Verordnung gilt:

„Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden …“

2.      Richtlinie 2004/38

9.        Art. 7 der Richtlinie 2004/38 lautet:

„(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c)      –       bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

–      über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

d)      ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstabens a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

(3)      Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:

a)      [E]r ist wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig;

b)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;

c)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

d)      er beginnt eine Berufsausbildung; die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft setzt voraus, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.“

10.      Art. 14 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen.

(2)      Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen.

In bestimmten Fällen, in denen begründete Zweifel bestehen, ob der Unionsbürger oder seine Familienangehörigen die Voraussetzungen der Artikel 7, 12 und 13 erfüllen, können die Mitgliedstaaten prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung wird nicht systematisch durchgeführt.

(3)      Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger oder einen seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat darf nicht automatisch zu einer Ausweisung führen.

…“

11.      Nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie finden „[d]ie Verfahren der Artikel 30 und 31 … sinngemäß auf jede Entscheidung Anwendung, die die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen beschränkt und nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen wird.“

12.      Art. 24 („Gleichbehandlung“) der genannten Richtlinie sieht vor:

„(1)      Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

B –    Nationales Recht

13.      Das einschlägige britische Recht wird im weiteren Verlauf dieser Schlussanträge dargestellt.

II – Verwaltungsrechtliches Vorverfahren

14.      Im Laufe des Jahres 2008 gingen bei der Kommission zahlreiche Beschwerden von im Vereinigten Königreich ansässigen Bürgern anderer Mitgliedstaaten ein, die berichteten, die zuständigen britischen Behörden hätten ihnen bestimmte Sozialleistungen verweigert, weil sie in diesem Staat kein Aufenthaltsrecht besäßen.

15.      Die Kommission übersandte dem genannten Mitgliedstaat eine Aufforderung zur Stellungnahme, auf das dieser mit zwei Schreiben vom 1. Oktober 2008 und 20. Januar 2009 antwortete. In ihnen führte er aus, dass nach britischem Recht zwar jedem britischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht gewährt werde, den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen hingegen kein Aufenthaltsrecht zustehe. Diese Einschränkung, so die Regierung des Vereinigten Königreichs, gründe sich auf den Begriff des Aufenthaltsrechts im Sinne der Richtlinie 2004/38 und auf die Beschränkungen, die dort für dieses Recht festgelegt seien, insbesondere das Erfordernis, dass eine wirtschaftlich nicht aktive Person über ausreichende Existenzmittel verfüge, um keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen zu müssen.

16.      Am 4. Juli 2010 übersandte die Kommission dem Vereinigten Königreich ein Mahnschreiben, in dem sie die Vorschriften der nationalen Regelung benannte, denen zufolge die Antragsteller für den Bezug bestimmter Leistungen ein Aufenthaltsrecht in diesem Staat haben müssten, was Voraussetzung sei, um als Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Vereinigten Königreich angesehen werden zu können.

17.      Am 30. Juli 2010 antwortete die Regierung des Vereinigten Königreichs auf dieses Mahnschreiben, dass ihr nationales System nicht diskriminierend und das Erfordernis eines Aufenthaltsrechts dadurch gerechtfertigt sei, dass es eine verhältnismäßige Maßnahme darstelle, um sicherzustellen, dass die Leistungen nur an Personen gezahlt würden, die im Vereinigten Königreich ausreichend integriert seien.

18.      Am 29. September 2011 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, auf die das Vereinigte Königreich mit Schreiben vom 29. November 2011 antwortete.

19.      Da die Kommission die Antwort für unbefriedigend hielt, hat sie die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben. Mit Blick auf die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Brey(7) vom September 2013 beschloss sie, ihre Klage auf die oben genannten Familienleistungen, d. h. Beihilfe und Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen zu beschränken und die „besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen“, die gleichfalls Gegenstand der mit Gründen versehenen Stellungnahme waren und die nach dem Urteil Brey als „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 eingeordnet werden können, nicht mit einzubeziehen.

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

A –    Klageschrift der Kommission

1.      Hauptvorwurf

20.      Der Hauptvorwurf der Kommission gegenüber dem Vereinigten Königreich besteht darin, dass es mit dem Erfordernis, dass die Person, die die Beihilfe oder die Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen beantrage, über ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich verfügen müsse, um dort als Person mit gewöhnlichem Aufenthalt behandelt zu werden(8), eine zusätzliche Voraussetzung aufgestellt habe, die in der Verordnung Nr. 883/2004 nicht enthalten sei, und die Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllten, von der Absicherung durch die Regelung der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats, die die Verordnung gewährleisten solle, ausschließe.

21.      Die Kommission trägt vor, dass nach der Definition des Begriffs „Wohnort“ in Art. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 883/2004 für die Zwecke dieser Verordnung unter „Wohnort“ der „Ort des gewöhnlichen Aufenthalts“(9) zu verstehen sei. Dieser Ort sei ihres Erachtens rein faktisch zu bestimmen, konkret danach, wo sich der Mittelpunkt der Interessen dieser Person befinde, wobei Art. 7 der Richtlinie 2004/38 keinen Einfluss auf diese Auslegung habe. Außerdem lege Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 ein System von Kollisionsnormen fest, um den Mitgliedstaat zu bestimmen, dessen Recht die Personen unterlägen, auf die die Verordnung Nr. 883/2004 Anwendung finde. Somit „verhindere“ das vom Vereinigten Königreich aufgestellte Erfordernis eines „Aufenthaltsrechts“ „die Anwendung“ der Vorschriften der genannten Verordnung zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts mit der Folge, dass kein Mitgliedstaat verpflichtet sein werde, den betroffenen Personen bestimmte Familienleistungen zu gewähren, obwohl sie in einem Mitgliedstaat lebten und Minderjährigen Unterhalt gewährten.

2.      Hilfsweise erhobener Vorwurf

22.      Hilfsweise rügt die Kommission, das Vereinigte Königreich habe durch die Aufstellung einer Voraussetzung für den Anspruch auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, die die Angehörigen des Vereinigten Königreichs automatisch erfüllten, eine unmittelbare Diskriminierung zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten bewirkt und dadurch gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verstoßen.

23.      Das Vereinigte Königreich habe im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren seinen Standpunkt, dass das Kriterium des „Aufenthaltsrechts“ eines von mehreren bei der Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts sei(10), dahin geändert, dass es sich um eine eigenständige Voraussetzung handle, die zwar eine Diskriminierung bewirke, aber gerechtfertigt sei. Die Kommission – gestützt auf die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Bressol u. a.(11) – ist der Auffassung, das Erfordernis eines Aufenthaltsrechts stelle eine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar. Es handle sich um eine Bedingung, die ausschließlich auf Ausländer angewendet werde, weil britische Staatsangehörige, die im Vereinigten Königreich ansässig seien, diese automatisch erfüllten, und die ihres Erachtens den Grundsatz der Gleichbehandlung in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verletze. Da es sich um eine unmittelbare Diskriminierung handle, gebe es keine Rechtfertigung hierfür.

24.      Selbst wenn man wie das Vereinigte Königreich eine mittelbare Diskriminierung annähme, sei von diesem jedenfalls nichts vorgetragen worden, was den Schluss zuließe, die fragliche Ungleichbehandlung sei geeignet und verhältnismäßig, um ihren Zweck zu erfüllen, nämlich sicherzustellen, dass eine echte Bindung der Person, die die Leistung beantrage, zum Aufnahmestaat bestehe.

25.      Zum anderen habe das Vereinigte Königreich vorgetragen, wirtschaftlich nicht aktive Personen dürften Leistungen des Wohlfahrtssystems des Aufnahmestaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, es sei denn, sie wiesen einen gewissen Grad der Bindung zu diesem Staat auf. Nach Ansicht der Kommission ist es zulässig, dass ein Mitgliedstaat sich vergewissern wolle, dass eine tatsächliche Bindung zwischen der Person, die eine Leistung beantrage, und dem zuständigen Mitgliedstaat bestehe, doch lege bei Leistungen der sozialen Sicherheit die Verordnung Nr. 883/2004 selbst fest, wie der Nachweis einer tatsächlichen Bindung zu führen sei (in diesem konkreten Fall durch das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts). Die Mitgliedstaaten könnten weder die Inhalte der Verordnung ändern noch zusätzliche Voraussetzungen aufstellen. Das Vereinigte Königreich habe nicht einmal den Versuch unternommen aufzuzeigen, inwieweit das Kriterium des Aufenthaltsrechts geeignet sei, um festzustellen, ob eine Person eine ausreichende Bindung zum Vereinigten Königreich zu dem Zeitpunkt habe, zu dem ihr Leistungen der sozialen Sicherheit im Rahmen der genannten Verordnung gewährt werden sollten.

B –    Klagebeantwortung

26.      In seiner Klagebeantwortung verweist das Vereinigte Königreich gegenüber dem Hauptvorwurf der Kommission im Wesentlichen auf das Urteil Brey(12), in dem der Gerichtshof dieselben Argumente, die die Kommission auch in dieser Rechtssache vortrage, mit der Feststellung zurückgewiesen habe, „dass grundsätzlich nichts dem entgegensteht, dass die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von dem Erfordernis abhängig gemacht wird, dass diese die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen“ (Rn. 44). Zudem bestehe laut dem Gerichtshof der Zweck von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 – der ebenso wie Art. 11 eine „Kollisionsnorm“ enthalte, um die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu vermeiden und zugleich zu verhindern, dass den in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Personen mangels anwendbarer Rechtsvorschriften der Schutz im Bereich der sozialen Sicherheit vorenthalten werde – nicht darin, die inhaltlichen Voraussetzungen eines Rechts auf die seinerzeit streitgegenständlichen Leistungen (besondere beitragsunabhängige Geldleistungen) festzulegen. Es sei vielmehr „grundsätzlich Sache der Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats, diese Voraussetzungen festzulegen“ (Rn. 41). Das Gleiche gelte, so das Vereinigte Königreich, auch für die Kollisionsnorm von Art. 11 der Verordnung Nr. 883/2004, der dieselbe Funktion wie deren Art. 70 Abs. 4 erfülle (der sich allerdings speziell auf die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen beziehe), wenn zu bestimmen sei, welche nationale Regelung auf den Antragsteller anzuwenden sei.

27.      Zum hilfsweise erhobenen Vorwurf der Kommission trägt das Vereinigte Königreich vor, die Rüge einer unmittelbaren Diskriminierung sei erstmals in der Klage aufgetaucht und sei in der mit Gründen versehenen Stellungnahme, die die Kommission im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren an es gerichtet habe, nicht enthalten gewesen. Der Gerichtshof habe bereits in mehreren Urteilen festgestellt, dass es legitim sei, von wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern den Nachweis eines Aufenthaltsrechts als Voraussetzung für den Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit zu verlangen, und dass die Richtlinie 2004/38 diese Möglichkeit auch ausdrücklich anerkenne, damit diese Bürger Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht in unzumutbarer Weise in Anspruch nähmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 sei im Licht dieses Grundsatzes auszulegen.

28.      Das Vereinigte Königreich weist darauf hin, dass das Erfordernis eines Aufenthaltsrechts lediglich eine von drei Voraussetzungen sei, die der Antragsteller zusammen erfüllen müsse, um nachzuweisen, dass er sich im Vereinigten Königreich befinde. Die Erfüllung der beiden anderen Voraussetzungen (physische Anwesenheit und ordentlicher Wohnsitz) seien von der Staatsangehörigkeit des Antragstellers unabhängig, so dass ein Angehöriger des Vereinigten Königreichs keineswegs automatisch die Voraussetzung erfülle, sich „im Vereinigten Königreich zu befinden“, die ihm das Recht auf die in Frage stehenden Leistungen verschaffe. Es sei zuzugeben(13), dass seine eigenen Staatsangehörigen diese Voraussetzung leichter erfüllen könnten als Angehörige anderer Mitgliedstaaten und dass es sich um eine mittelbar diskriminierende Maßnahme handele(14). Allerdings sei diese Maßnahme objektiv gerechtfertigt – wie Rn. 44 des in einem ähnlichen Fall ergangenen Urteils Brey(15) belege –, nämlich konkret durch den Zweck, die öffentlichen Finanzen zu sichern, da beide in Rede stehenden Leistungen nicht durch Beiträge der Begünstigten finanziert würden, sondern durch Steuereinnahmen. Es gebe auch kein Indiz dafür, dass die Maßnahme im Hinblick auf den verfolgten Zweck im Sinne des Urteils Brey(16) unverhältnismäßig sei.

C –    Erwiderung

29.      Hinsichtlich ihres Hauptvorwurfs hebt die Kommission in ihrer Erwiderung hervor, dass das Urteil Brey(17) sich allein auf die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen bezogen habe, die sowohl Sozialversicherungs- als auch Sozialhilfecharakter hätten, während die vorliegende Klage sich auf zwei Familienleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 883/2004, d. h. auf echte Leistungen der sozialen Sicherheit beziehe, auf die die Richtlinie 2004/38 nicht anwendbar sei. In diesem Zusammenhang weist die Kommission auf ein Problem der Übersetzung im Urteil Brey hin: So werde in Rn. 44 der englischen Fassung von „social security benefits“ gesprochen, während die deutsche – authentische – Fassung (da es sich um eine Rechtssache aus Österreich handele) von „Sozialleistungen“(18) spreche.

30.      Die Kommission weist ferner darauf hin, dass das Recht des Vereinigten Königreichs, statt dem Zweck der Unionsregelung zur Koordination der Sozialversicherungssysteme entsprechend die Freizügigkeit der Unionsbürger zu fördern, diese Freiheit beschränke, indem es für diese Freiheit ein Hindernis in Form einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit einführe und damit bewirke, dass eine Person möglicherweise weder in ihrem Herkunftsstaat – in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr habe – noch im Aufnahmestaat ein Recht auf die in Rede stehenden Familienleistungen habe, sofern sie in Letzterem über kein Aufenthaltsrecht verfüge.

31.      Mit Blick auf ihren hilfsweise erhobenen Vorwurf rügt die Kommission in ihrer Erwiderung, dass das Vereinigte Königreich die Kollisionsnorm von Art. 11 der Verordnung Nr. 883/2004 so auslege, dass dieser es einem Mitgliedstaat gestatte, eine diskriminierende Voraussetzung für den Zugang zu einer Leistung der sozialen Sicherheit einzuführen. Der Verweis darauf, dass die Mitgliedstaaten legitime Einschränkungen machen dürften, um zu verhindern, dass ein Unionsbürger in unzumutbarer Weise Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehme, könne lediglich für die Sozialhilfe gelten, nicht aber für Leistungen der sozialen Sicherheit. Gerade weil der Mechanismus zur Koordination der Sozialversicherungssysteme vorsehe, dass die Zahlung der Familienleistungen dem Mitgliedstaat obliege, in dem die Person mit unterhaltsberechtigten Minderjährigen ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, sei der Schutz der öffentlichen Finanzen, den das Vereinigte Königreich anführe, kein legitimer Zweck. Jedenfalls sei das vom Vereinigten Königreich aufgestellte Kriterium weder verhältnismäßig, um diesen Zweck zu erreichen (beispielsweise könne eine Person, die viele Jahre lang im Vereinigten Königreich Steuern gezahlt habe, aber seit einiger Zeit arbeitslos sei, ihr Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat und damit das Recht auf die fragliche Leistung verloren haben), noch garantiere es eine Beurteilung der Umstände des konkreten Einzelfalls, wie dies im Urteil Brey gefordert werde(19).

D –    Gegenerwiderung

32.      In seiner Gegenerwiderung beharrt das Vereinigte Königreich auf seiner Ansicht, dass sein nationales Recht nach den Kollisionsnormen der Verordnung Nr. 883/2004 anwendbar sei und eine Person, die in diesem Mitgliedstaat ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, trotz allem möglicherweise kein Recht auf die konkreten in Rede stehenden Sozialleistungen habe.

33.      Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs ist der Begriff „social benefits“ weiter als der Begriff „social security benefits“. Wenn das Urteil Brey(20) in der deutschen und der französischen Fassung den ersten Begriff statt des zweiten verwende, so werde dadurch jedenfalls auch die Tragweite des in Rn. 44 aufgestellten Grundsatzes erweitert und auch die Leistungen der sozialen Sicherheit würden dann erfasst. Im Urteil Brey werde nirgendwo festgestellt, dass die dortigen Ausführungen des Gerichtshofs sich allein auf die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen beschränkten. Gleiches gelte für das Urteil Dano(21).

34.      Außerdem, so das Vereinigte Königreich, sei unverständlich, dass die Mitgliedstaaten zwar nicht verpflichtet seien sollten, an Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen zu zahlen, die ihr Existenzminimum sicherten, ihnen aber sehr wohl Leistungen wie die hier in Rede stehenden zahlen müssten, die über dieses Existenzminimum hinausgingen und die, weil sie aus Steuermitteln bezahlt würden, letztlich ebenfalls eine unangemessene Belastung für die öffentlichen Finanzen im Sinne des Urteils Brey(22) darstellen könnten. Die beiden hier in Frage stehenden Leistungen besäßen auf jeden Fall Sozialhilfecharakter, auch wenn dies keine unverzichtbare Voraussetzung sei für die Anwendung des im Urteil Brey aufgestellten Grundsatzes (der sich ganz allgemein auf „Sozialleistungen“ beziehe) auch auf die Leistungen, die Gegenstand der vorliegenden Vertragsverletzungsklage seien. Der Gerichtshof habe im Urteil Dano(23) bestätigt, dass nur die wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger, deren Wohnort die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 erfülle, das Recht auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen für sich in Anspruch nehmen könnten.

35.      Das Argument der Kommission, die britische Regelung garantiere keine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls, wie im Urteil Brey(24) gefordert, tauche, so das Vereinigte Königreich, erstmals in der Erwiderung der Kommission auf und sei während des verwaltungsrechtlichen Vorverfahrens nicht vorgetragen worden, so dass es nach Art. 127 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs unzulässig sei.

36.      Davon abgesehen erläutert das Vereinigte Königreich(25), wie die Gewährung der beiden in Rede stehenden Leistungen in der Praxis vor sich geht. Die für die Verwaltung dieser Leistungen zuständige Behörde, Her Majesty’s Revenue and Customs, berücksichtige neben anderem die vom Department for Work and Pensions übermittelten Informationen darüber, ob eine Person Sozialhilfe in Anspruch nehme. Dies erlaube ihr zu prüfen, ob diese Person über ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich verfüge und ob sie folglich ein Recht auf die beiden in Rede stehenden Leistungen habe. In Fällen, bei denen Zweifel bestünden, ob sie über dieses Aufenthaltsrecht verfüge oder nicht, würden die persönlichen Umstände des Antragstellers Fall für Fall geprüft, einschließlich seines Versicherungsverlaufs und der Frage, ob er sich aktiv um eine Anstellung bemühe und eine reelle Aussicht auf eine solche habe.

37.      Am 4. Juni 2015 fand eine Verhandlung statt, in der beide Parteien im Wesentlichen den oben dargestellten Vortrag wiederholt und die Fragen des Gerichtshofs beantwortet haben.

IV – Würdigung

A –    Einleitung

38.      Wie bereits gesagt, beantragt die Kommission mit dieser Klage die Feststellung, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verstoßen hat, dass es als Voraussetzung für den Bezug der Beihilfe und der Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen verlangt, dass der Antragsteller der Kontrolle – oder der Prüfung – des rechtmäßigen Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat genügt.

39.      Die Kommission gliedert ihre Klage in einen Haupt- und einen hilfsweise erhobenen Vorwurf. Mit dem Hauptvorwurf macht sie geltend, das Vereinigte Königreich habe in die in Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehene Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts aufnehmen und so eine zusätzliche Voraussetzung aufstellen wollen, die in der genannten Vorschrift nicht enthalten sei. Hilfsweise trägt sie jedoch vor, der Mitgliedstaat stelle die Voraussetzung allein für Ausländer auf (da Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs grundsätzlich über ein Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat verfügten) und bewirke so eine nach Art. 4 der genannten Verordnung verbotene Diskriminierung.

40.      Somit müssten entsprechend dem Ansatz der Kommission die beiden Vorwürfe im Prinzip in der angegebenen Reihenfolge geprüft werden: zuerst der Vorwurf der rechtswidrigen Aufnahme der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in eine Prüfung, die nach Art. 11 Abs. 3 Buchst e der Verordnung Nr. 883/2004 eine Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts sei; danach der Vorwurf der Diskriminierung, die sich daraus ergebe, dass nicht britische Unionsbürger einer Prüfung der Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts unterzogen würden, was von Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs nicht verlangt werde. Aus den im Folgenden aufgeführten Gründen werden diese Argumente allerdings nicht genau in dieser Weise behandelt werden.

41.      Der Hauptvorwurf der Kommission hat nämlich im Laufe dieses Rechtsstreits sozusagen immer mehr „an Gewicht verloren“. Zu beachten ist, dass das Vereinigte Königreich bereits seit seiner Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme, die ihm die Kommission übersandt hatte, wiederholt bestritten hat, dass es mit der hier in Rede stehenden Regelung die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als Teil der Kontrolle, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt bestehe, habe rechtfertigen wollen. In der Tat behauptet das Vereinigte Königreich seither, die Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts, die es in Fällen wie dem hier vorliegenden durchführe, sei von der Prüfung, ob es sich um einen gewöhnlichen Aufenthalt handle, unabhängig(26). Auf diese Weise hat sich der Kern des Rechtsstreits immer mehr auf die zweite Begründung verlagert, nämlich auf den Vorwurf einer nach Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verbotenen Diskriminierung.

42.      Infolgedessen werde ich mich mit den von der Kommission als Hauptvorwurf angeführten Argumenten nur relativ kurz beschäftigen, um mich dann auf das ursprüngliche Hilfsvorbringen zu konzentrieren. Allerdings erfordern die Umstände des Falles, als Erstes den Charakter der Sozialleistungen zu klären, um die es in dieser Rechtssache geht.

B –    Zu den Sozialleistungen, auf die sich die Klage bezieht

43.      Die vorliegende Vertragsverletzungsklage bezieht sich auf die Beihilfe für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen („child benefit“) und auf die Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen („child tax credit“). Bei beiden handelt es sich um Geldleistungen, die aus Steuermitteln und nicht aus Beiträgen der Empfänger finanziert werden und die den gemeinsamen Zweck haben, zur Finanzierung der Familienlasten beizutragen. Keine der beiden Leistungen wurde vom Vereinigten Königreich in den Anhang X der Verordnung Nr. 883/2004 aufgenommen, und in diesem Verfahren war stets unstreitig, dass sie nicht als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 70 der Verordnung anzusehen sind.

44.      Nach Art. 141 des Social Security Contributions and Benefits Act von 1992 hat „jede Person, die für einen oder mehrere Minderjährige unterhaltspflichtig ist, für jede Woche Anspruch auf eine Beihilfe (genannt ‚child benefit‘) für den bzw. für jeden unterhaltsberechtigten Minderjährigen nach Maßgabe dieses Titels dieses Gesetzes“(27). Die Beihilfe für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen ist eine Familienleistung, die im Wesentlichen dazu dienen soll, einen Teil der Kosten zu decken, die Personen, die für einen oder mehrere Minderjährige unterhaltspflichtig sind, durch deren Versorgung entstehen. Es handelt sich grundsätzlich um eine Leistung, die jedem gewährt wird, allerdings müssen Antragsteller mit höherem Einkommen bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Verpflichtungen einen Betrag zurückzahlen, der höchstens dem entspricht, den sie durch diese Leistung erhalten(28).

45.      Die „Steuergutschrift“ für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen, die in den Art. 8 und 9 des Tax Credits Act von 2002(29) geregelt ist, ist ebenfalls eine Geldleistung, die Personen gewährt wird, die für Minderjährige unterhaltspflichtig sind, und deren Höhe je nach dem Familieneinkommen, der Zahl der unterhaltsberechtigten Minderjährigen und anderen Umständen wie etwa einer eventuellen Behinderung eines Familienmitglieds variiert(30). Die Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen hat eine Reihe von ergänzenden Leistungen ersetzt, die Personen, die verschiedene (einkommensabhängige) Unterstützungsleistungen für den Unterhalt unterhaltsberechtigter Minderjähriger beantragten, gewährt wurden, und zwar mit dem allgemeinen Ziel, die Kinderarmut zu verringern(31).

46.      Hinsichtlich des Charakters dieser Leistungen stimme ich mit der Kommission überein, dass es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 handelt. Konkret handelt es sich um Familienleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. j in Verbindung mit Art. 1 Buchst. z der genannten Verordnung, da es sich entsprechend den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgezählten Merkmalen um Leistungen handelt, die unabhängig von einer auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit ohne Weiteres den Personen, die bestimmte objektive Voraussetzungen erfüllen, gewährt werden und die dem Ausgleich von Familienlasten dienen(32).

47.      Des Weiteren stimme ich mit der Kommission darin überein, dass die Einstufung der in Rede stehenden Leistungen als Leistungen der sozialen Sicherheit nicht mit der Begründung in Zweifel gezogen werden kann, dass ihre Gewährung an keine Beitragsverpflichtung gebunden ist. Der Art der Finanzierung einer Leistung kommt nämlich keine Bedeutung zu, wenn es darum geht, ob sie als Leistung der sozialen Sicherheit einzuordnen ist. Dies beweist schon die Tatsache, dass nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 die beitragsunabhängigen Leistungen nicht aus ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen worden sind(33).

C –    Zur Frage, ob die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als zusätzlich in die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts aufgenommenes Erfordernis mit der Verordnung vereinbar ist

48.      Als Hauptvorwurf macht die Kommission geltend, dass das Vereinigte Königreich eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 aufgenommen und so eine zusätzliche Voraussetzung aufgestellt habe, die in dieser Vorschrift nicht vorgesehen sei. Nach dem genannten Buchst. e unterliegt „jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d [von Art. 11 Abs. 3] fällt, … den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats“. Einige Erläuterungen sollen eine Antwort auf diesen Vorwurf erleichtern.

49.      Es ist zunächst daran zu erinnern, dass der Zweck der Verordnung Nr. 883/2004 darin besteht, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten zu koordinieren, um zu gewährleisten, dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann. Dazu legt die Verordnung Nr. 883/2004 eine Reihe von gemeinsamen Grundsätzen fest, denen die Rechtsvorschriften aller Mitgliedstaaten im Bereich der sozialen Sicherheit gerecht werden müssen und die zusammen mit dem System der in der Verordnung enthaltenen Kollisionsnormen sicherstellen, dass Personen, die ihr Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht innerhalb der Union ausüben, durch die unterschiedlichen nationalen Systeme nicht benachteiligt werden, wenn sie von dieser Freiheit Gebrauch gemacht haben(34). Einer dieser gemeinsamen Grundsätze ist der in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung, der speziell für den Bereich der sozialen Sicherheit das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit konkretisiert, das in Art. 18 AEUV für das gesamte Unionsrecht anerkannt ist(35).

50.      Als Kollisionsnorm(36) hat Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 den Zweck, das nationale Recht festzulegen, das auf den Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit, die in Art. 3 Abs. 1 aufgezählt sind (unter anderem die Familienleistungen), im Fall von Personen anzuwenden ist, auf die die Vorschriften der Buchst. a bis d des genannten Art. 11 Abs. 3 keine Anwendung finden, d. h. im Wesentlichen im Fall von wirtschaftlich nicht aktiven Personen. Der Normzweck von Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 besteht darin, sowohl eine gleichzeitige Anwendung verschiedener nationaler Rechte auf eine konkrete Situation sowie die möglicherweise daraus resultierenden Komplikationen zu vermeiden, als auch zu verhindern, dass den in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Personen mangels anwendbarer Rechtsvorschriften der Schutz im Bereich der sozialen Sicherheit vorenthalten wird(37).

51.      Nach besagtem Art. 11 Abs. 3 unterliegen Personen, auf die der Buchst. e anzuwenden ist – unbeschadet anderer Vorschriften der Verordnung Nr. 883/2004, nach denen ihnen Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen –, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats ihres Wohnorts, wobei der Begriff des Wohnorts nach Art. 1 Buchst. j der genannten Verordnung den „Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person“ meint(38).

52.      Folglich ist bei der Bestimmung des Orts, an dem sich der „gewöhnliche“ Aufenthalt einer Person befindet, die für die Zwecke von Art. 11 Abs. 3 Buchst e in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fällt, auf rein tatsächliche Umstände abzustellen. Tatsächlich hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung(39) nach und nach eine nicht abschließende Liste von (allesamt faktischen) Merkmalen erstellt, die für die Bestimmung des Orts des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person heranzuziehen sind (diese Liste findet sich derzeit in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung 987/2009(40)), um den Mitgliedstaat bestimmen zu können, dessen Rechtsvorschriften im Rahmen der Verordnung Nr. 883/2004 auf eine konkrete Situation Anwendung finden. Über den rein faktischen Charakter des Begriffs des „gewöhnlichen Aufenthalts“ scheinen sich beide Parteien letztendlich auch einig zu sein.

53.      Nach diesen Vorbemerkungen deutet alles darauf hin, dass das Problem durch die Begriffe verursacht wird, die in der britischen Regelung verwendet werden. Diese lässt an eine Art juristischer Fiktion denken, wenn es dort heißt, dass sich „nicht“ im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs „befindet“, wer sich nicht nach dem Unionsrecht rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat aufhält(41). Damit würde die nationale Regelung unnötigerweise zwei verschiedene Kategorien vermischen, nämlich die des „rechtmäßigen Aufenthalts“ und die des „gewöhnlichen Aufenthalts“, die, wie die Kommission zu Recht bemerkt, nicht verwechselt werden dürfen. Zudem könnte eine Auslegung, die am Wortlaut dieser Regelung klebt, sogar dazu führen, dass der Kommission Recht zu geben wäre, wenn sie vorträgt, das Vereinigte Königreich habe der Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts ein zusätzliches Merkmal hinzugefügt, nämlich das des rechtmäßigen Aufenthalts, das dieser Prüfung völlig fremd sei und sie in gewisser Weise „verfälsche“, und dass folglich schon allein deshalb angenommen werden müsste, dass das Vereinigte Königreich die Verordnung Nr. 883/2004 verletze.

54.      Allerdings wäre diese Argumentation zu vereinfachend und ginge meines Erachtens letztlich an der Sache vorbei. Es liegt auf der Hand, dass der nationale Gesetzgeber – abgesehen von einer Formulierung oder einem Sprachgebrauch, die sicherlich missverständlich sind – im vorliegenden Fall die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht „verfälscht“, wenn er die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts heranzieht, um zu beurteilen, ob es sich um einen gewöhnlichen Aufenthalt handelt(42). Das Vereinigte Königreich hat sich nämlich, wie schon zuvor ausgeführt, seit seiner Antwort auf die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission von einer Verteidigung der Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts distanziert, die diesen mit dem gewöhnlichen Aufenthalt nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 verknüpfte. Was das Vereinigte Königreich unabhängig von Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 – und sogar der Verordnung als Ganzem – tatsächlich anstrebt, ist eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nach dem Unionsrecht (und insbesondere nach der Richtlinie 2004/38) im Rahmen der Gewährung bestimmter Sozialleistungen.

55.      Die Kommission ist dieser Wende in der Argumentation des Vereinigten Königreichs gefolgt und hat, hilfsweise, einen Vorwurf in dem Sinne erhoben, dass man selbst dann, wenn keine Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts in die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts aufgenommen worden sei, sondern die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts unabhängig davon geprüft werde, unvermeidlich eine nach Art. 4 der genannten Verordnung verbotene Diskriminierung vorliege. Man könnte sagen, dass die Kommission sich von Anfang an bewusst war, dass der Kern des Problems in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 zu suchen ist. Das Vereinigte Königreich hat nämlich, auch wenn alle seine Argumente für ihren Hauptvorwurf um die Prüfung des (gewöhnlichen) Aufenthalts als dem in der Kollisionsnorm von Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung verwendeten Anknüpfungspunkt kreisen, in Wirklichkeit nur eine Verletzung von Art. 4 dieser Verordnung gerügt.

56.      Nach alledem ist der Hauptvorwurf der Kommission zurückzuweisen, da die Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts, den das britische Recht eingeführt hat, nicht schon als solcher gegen die Vorschriften von Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 verstößt.

D –    Zu der gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verstoßenden Diskriminierung, die das Vereinigte Königreich möglicherweise begangen hat, indem es bei der Behandlung bestimmter Sozialleistungen die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Antragstellers prüft

1.      Vorbemerkungen

57.      Nach Auffassung der Kommission verletzt das Vereinigte Königreich auf jeden Fall die genannte Verordnung, auch wenn man akzeptierte, dass die Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts unabhängig von der Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 883/2004 erfolgen könne. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Rahmen der Behandlung einer Leistung der sozialen Sicherheit sei diskriminierend und verstoße gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004, wenn ein Erfordernis aufgestellt werde, das nur für Ausländer gelte, weil Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs grundsätzlich über ein Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat verfügten. Der genannte Art. 4 schreibe nämlich eine Gleichbehandlung sowohl hinsichtlich der Vorteile als auch hinsichtlich der Verpflichtungen vor, die in den nationalen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit vorgesehen seien. Dieses Argument erfordert eine etwas komplexere Antwort als seine Darstellung durch die Kommission vermuten lässt.

58.      Zunächst ist die grundsätzliche Frage zu erörtern, ob ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, Sozialleistungen wie die hier in Rede stehenden, die er seinen eigenen Staatsangehörigen und den Unionsbürgern, die sich rechtmäßig in ihm aufhalten, gewährt, auch einem Unionsbürger zu bewilligen, dessen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet nicht rechtmäßig ist (d. h. der die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt). Je nachdem, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, ergibt sich, ob es an sich diskriminierend im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 ist, wenn ein Mitgliedstaat nur dann bereit ist, bestimmte Sozialleistungen zu gewähren, wenn die Antragsteller sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhalten.

59.      Sodann wird, wenn das vorherige Problem gelöst ist, auf die spezifischere, aber ebenfalls grundsätzliche Frage einzugehen sein, ob der Mitgliedstaat, von dem man eine bestimmte Sozialleistung wie die hier gegenständlichen erhalten möchte, berechtigt ist, die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Antragstellers bei und zugleich mit der Prüfung seines gewöhnlichen Aufenthalts zu prüfen.

60.      Schließlich müsste man sich, wenn diese zweite Schwierigkeit gleichfalls ausgeräumt ist, noch mit der Frage beschäftigen, ob diese Befugnis des Mitgliedstaats sozusagen uneingeschränkt gilt oder ob sie vielmehr nur unter bestimmten Bedingungen legitim ist. Wie man sehen wird, ist diese Dimension des Problems erst am Ende und in sehr knapper Form zur Sprache gekommen, konkret in der Erwiderung der Kommission, weshalb das Vereinigte Königreich diesen Vortrag für unzulässig, weil verspätet, hält. Daher wird gegebenenfalls auf die mögliche Unzulässigkeit dieses Vorbringens einzugehen sein, ungeachtet dessen, dass Zweckmäßigkeitserwägungen mich veranlassen könnten, eine Antwort auf diese Frage vorzuschlagen.

2.      Verhältnis zu der in den Urteilen Brey und Dano entwickelten Rechtsprechung

61.      Bevor die Probleme in dieser Reihenfolge behandelt werden, ist jedoch vorweg noch darauf einzugehen, welche Relevanz für die vorliegende Rechtssache die Rechtsprechung hat, die durch die Urteile Brey(43) und Dano(44), auf welche die Parteien in diesem Verfahren immer wieder Bezug genommen haben(45), begründet worden ist.

62.      Zunächst ist nicht zu bezweifeln, dass die Rechtsprechung in den Urteilen Brey(46) und Dano(47) auch für diese Rechtssache von Bedeutung ist, soweit nämlich in den genannten Urteilen die Frage angesprochen wird, ob ein Mitgliedstaat berechtigt ist, für die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die sich in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, zu berücksichtigen, ob ihr Aufenthalt rechtmäßig ist.

63.      Während in den Rechtssachen Brey und Dano der Gerichtshof sich im Rahmen entsprechender Vorabentscheidungsverfahren zur richtigen Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2004/38 äußern sollte, deren Relevanz außer Frage stand, wird in dieser Rechtssache im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens darüber gestritten, ob es sachgerecht ist, die genannte Richtlinie – und insbesondere die angeführte Vorschrift – im Rahmen der Verordnung Nr. 883/2004 anzuwenden(48).

64.      Andererseits hatten die genannten Urteile ebenso wie das Urteil Alimanovic(49) im Gegensatz zu der Rechtssache, die uns nun beschäftigt, besondere beitragsunabhängige Geldleistungen zum Gegenstand, die in Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 geregelt sind und für die Zwecke der Richtlinie 2004/38 als Sozialhilfeleistungen angesehen werden(50). Während die Richtlinie 2004/38 die Notwendigkeit, Sozialhilfeleistungen in Anspruch zu nehmen, im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts berücksichtigt(51), sagt sie über Leistungen der sozialen Sicherheit wie diejenigen, die Gegenstand dieser Rechtssache sind, nichts aus.

65.      Die einschlägigen Hinweise auf diese Rechtsprechung werde ich im weiteren Verlauf meiner Ausführungen geben.

3.       Zur Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Gewährung von Sozialleistungen im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und zu den Folgen für den Vorwurf einer diskriminierenden Behandlung

66.      Die erste Frage, die hier ganz grundsätzlich zu behandeln ist, geht dahin, ob ein Mitgliedstaat einem Unionsbürger, der sich in seinem Hoheitsgebiet aufhält, nur dann die gleichen Sozialleistungen wie seinen eigenen Staatsangehörigen gewähren muss, wenn sein Aufenthalt insbesondere die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen erfüllt. Wie ich bereits gesagt habe, wird das Ergebnis, zu dem man in dieser Frage kommen wird, Folgen für die Frage haben, ob es diskriminierend im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 ist, wenn ein Mitgliedstaat Sozialleistungen wie die hier in Rede stehenden nicht Personen gewährt, die sich nicht rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhalten.

67.      Um diese Frage zu beantworten, ist entsprechend dem Hinweis des Gerichtshofs in der Rechtssache Dano(52) davon auszugehen, dass Art. 20 Abs. 1 AEUV jedem, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, den Status eines Unionsbürgers verleiht. Wie der Gerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Anwendungsbereich des AEU-Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen(53).

68.      Jeder Unionsbürger kann sich daher in allen Situationen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art. 18 AEUV berufen. Zu diesen Situationen gehören diejenigen, die die Ausübung des durch Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a AEUV und Art. 21 AEUV verliehenen Rechts betreffen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten(54).

69.      Diesbezüglich ist allerdings darauf hinzuweisen dass nach den Feststellungen des Gerichtshofs im Urteil Dano(55) Art. 18 Abs. 1 AEUV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit „[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich“ verbietet. Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV sieht ausdrücklich vor, dass die Rechte, die dieser Artikel den Unionsbürgern verleiht, „unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt [werden], die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind“. Ferner besteht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, „vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“(56). Ein solcher Hinweis auf die Begrenztheit dieser Freiheit findet sich auch in der Erläuterung zu Art. 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – in dem die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit verankert sind –, wenn es dort heißt: „Das in Absatz 1 garantierte Recht ist das Recht, das durch Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe a [AEUV] garantiert ist … Nach Artikel 52 Absatz 2 findet es im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen Anwendung.“(57)

70.      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 883/2004 in einer direkten inhaltlichen Verbindung zum Grundrecht auf Freizügigkeit der Unionsbürger steht, weil sie erlassen wurde, um dessen wirksame Ausübung durch die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zu erleichtern und zu garantieren(58). Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, dass der Zweck der Verordnung Nr. 883/2004 darin besteht, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten zu koordinieren, mit dem Ziel, wie in ihren Erwägungsgründen hervorgehoben wird, sicherzustellen, „dass das Recht auf Freizügigkeit wirksam ausgeübt werden kann“ (45. Erwägungsgrund) und so zugunsten von Personen, die innerhalb der Union umziehen, „zur Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen beizutragen“ (erster Erwägungsgrund). Folglich sind die Rechte, die die Verordnung Nr. 883/2004 anerkennt, Rechte, die die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger unter den im Gesetz vorgesehenen Bedingungen, unter denen diese Freiheit anerkannt wird, gewährleisten sollen(59).

71.      Einige der Bedingungen und Beschränkungen, von denen Art. 20 AEUV und Art. 21 AEUV die Ausübung der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit innerhalb der Union – als einer nicht absoluten(60), sondern „geregelten“ Freiheit – abhängig machen, sind in der Richtlinie 2004/38 festgelegt(61). Diese Richtlinie – deren Vereinbarkeit mit den Verträgen vom Gerichtshof in den Urteilen Brey(62), Dano(63) und Alimanovic(64) nicht in Frage gestellt und auch in diesem Verfahren nicht bestritten worden ist – wurde nach ihrem vierten Erwägungsgrund erlassen, um die bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden und die Ausübung dieses Rechts zu erleichtern.

72.      Somit ist davon auszugehen, dass die Vorschriften der Richtlinie 2004/38, die die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger regeln, auch im Rahmen einer Verordnung wie der hier in Rede stehenden, die letzten Endes die Wirksamkeit des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb der Union gewährleisten soll, ihre volle Gültigkeit behalten und in diesem Kontext keineswegs als wirkungslos angesehen werden können. Insoweit kann ich der Kommission(65) nicht zustimmen, wenn sie behauptet: „Der Begriff des Aufenthalts in der Verordnung Nr. 883/2004 … unterliegt keinem rechtlichen Vorbehalt.“(66)

73.      Es erscheint mir keineswegs überflüssig, darauf hinzuweisen, dass die Unionsrechtsordnung schwerlich aus einer Vielzahl voneinander abgeschotteter Bereiche bestehen kann. Dies trifft umso mehr auf zwei Vorschriften des Unionsrechts zu, die so eng miteinander zusammenhängen wie die hier in Rede stehenden(67). Wenn das Unionsrecht, wie soeben ausgeführt, die Ausübung der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit bestimmten Beschränkungen und Bedingungen unterwirft, die insbesondere in der Richtlinie 2004/38 enthalten sind, so können selbstverständlich die Vorschriften der Verordnung Nr. 883/2004 nicht in einer Weise ausgelegt werden, die die Bedingungen und Beschränkungen, mit denen die Anerkennung und die Proklamation dieser Freiheit einhergeht, neutralisiert(68). Somit muss schließlich eine Auslegung gefunden werden, die so weit wie möglich sowohl den Status der Unionsbürgerschaft als auch die Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger fördert und gleichzeitig die von beiden Vorschriften verfolgten Ziele und die in ihnen enthaltene Regelung respektiert.

74.      Im Übrigen wird der soeben dargestellte Standpunkt meines Erachtens durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, die den Zugang zu Sozialleistungen zu gleichen Bedingungen wie für die Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats schon immer daran geknüpft hat, dass der Antragsteller sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet dieses Staates aufhält(69). Zudem hat der Gerichtshof dies jüngst im Urteil Brey wiederholt, als er ausgeführt hat, „dass grundsätzlich nichts dem entgegensteht, dass die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von dem Erfordernis abhängig gemacht wird, dass diese die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen“(70). Gleiches gilt für das Urteil Dano, in dem es heißt, dass ein „Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen … nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt“(71). Meiner Meinung nach lässt nichts in den beiden genannten Urteilen den Schluss zu, dass diese Feststellungen nur auf Sozialhilfeleistungen oder besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar wären, die Gegenstand jener Verfahren waren, und nicht auch auf andere Sozialleistungen(72).

75.      Nach alledem kann man nicht leugnen, dass die Voraussetzung, dass der Aufenthalt des Antragstellers, der eine Sozialleistung wie die hier gegenständlichen begehrt, nicht unrechtmäßig ist, sich als unterschiedliche Behandlung von Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten darstellen könnte. Allerdings ist diese unterschiedliche Behandlung in Bezug auf das Aufenthaltsrecht, wenn man so will, als systemimmanent und in gewisser Weise vorgegeben zu betrachten(73): Einem Angehörigen eines Mitgliedstaats kann das Aufenthaltsrecht in diesem naturgemäß nicht verweigert werden.

76.      Mit anderen Worten liegt der Unterschied zwischen den britischen Staatsangehörigen und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten in der Natur des Systems selbst begründet, und zwar in dem Sinne, dass nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts die Zugehörigkeit zum einen oder anderen Mitgliedstaat nicht irrelevant ist, wenn es um die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit und auf Aufenthalt geht.

77.      Schließlich bin ich nach alledem der Meinung, dass ein Mitgliedstaat aufgrund der Verordnung Nr. 883/2004 Sozialleistungen wie die hier in Rede stehenden nur einem Unionsbürger gewähren muss, der seine Freizügigkeit und seine Aufenthaltsfreiheit im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ausübt, d. h. insbesondere die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen erfüllt. In diesem Sinne tritt der Unterschied zwischen britischen Staatsangehörigen und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten in einem Stadium zutage, das noch vor dem Eingreifen von Art. 4 der Verordnung liegt, und beeinträchtigt somit nicht dessen Anwendbarkeit.

4.      Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Antragstellers bei der Behandlung bestimmter Sozialleistungen

78.      Nachdem diese grundsätzliche Frage gelöst ist, ist auf einen zweiten Aspekt einzugehen, der nach meinem Verständnis das Vorbringen der Kommission unmittelbarer berührt: Es geht darum, ob ein Mitgliedstaat unter den genannten Umständen die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Unionsbürgers, der Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, gerade bei der Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung wie die hier in Rede stehenden prüfen kann, ohne gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 zu verstoßen.

79.      So eingegrenzt dreht sich die Frage nun im Wesentlichen darum, ob der Mitgliedstaat eine Ungleichheit von „Pflichten“ im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 durch den kaum zu bestreitenden Umstand bewirkt, dass die nicht britischen Unionsbürger in größerem Maß als die britischen Staatsangehörigen der Unannehmlichkeit ausgesetzt sind, sich im Rahmen der Behandlung ihrer Anträge auf eine Leistung wie die Beihilfe und die Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen einer Prüfung der Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch die britischen Behörden unterziehen zu müssen und diese Prüfung gegebenenfalls zu bestehen. Den Erläuterungen des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass die Intensität der Prüfung jedenfalls von den besonderen Umständen des Falles des Betroffenen abhängt, wobei voraussichtlich gerade die wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger diese Unannehmlichkeiten in größerem Maß hinnehmen werden müssen.

80.      Diesbezüglich ist vorwegzunehmen, dass diese zusätzliche Schwierigkeit bei der Behandlung der erwähnten Leistungen praktisch vermieden werden könnte, da die Richtlinie 2004/38 Regelungen (konkret in Art. 8)(74) vorsieht, die es erlauben, die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Unionsbürgers, der nicht Angehöriger des Aufnahmemitgliedstaats ist, anhand einer Bescheinigung nachzuweisen, für deren Ausstellung die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats bereits geprüft haben, dass insbesondere die Voraussetzungen von Art. 7 der genannten Richtlinie erfüllt sind. Verfügt der Antragsteller über eine solche Bescheinigung, wird er bei der Behandlung des Antrags auf eine Sozialleistung nur minimale oder sogar keine Unannehmlichkeiten hinnehmen müssen: Der Antragsteller muss dann lediglich auf Verlangen das Dokument vorlegen, das nachweist, dass der Mitgliedstaat seinen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet als rechtmäßig ansieht.

81.      Nun hat das Vereinigte Königreich in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Unionsbürger zwar die Möglichkeit haben, bei den britischen Behörden ein Dokument zum Nachweis ihres Aufenthaltsrechts in diesem Mitgliedstaat zu beantragen (was selbstverständlich den Nachweis dieses Umstands erleichtert), dass aber der Besitz eines solchen Dokuments nicht obligatorisch ist. Tatsächlich wird in der Regel in den meisten Fällen der Antragsteller nicht über eine Bescheinigung der Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts im Vereinigten Königreich verfügen.

82.      Jedoch schließt die Möglichkeit, dass ein Mitgliedstaat die Ausstellung solcher Dokumente zwingend vorschreibt, die Anwendbarkeit eines Systems wie des im Vereinigten Königreich geltenden nicht aus, das, da in den meisten Fällen eine vorherige Anerkennung wie die oben beschriebene fehlt, bei der Behandlung der Anträge auf Sozialleistungen eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts vorsieht.

83.      Natürlich ist zuzugeben, dass hier eine unterschiedliche Behandlung vorliegt, die man als mittelbare Diskriminierung ansehen müsste, da es die nicht britischen (ganz besonders die wirtschaftlich nicht aktiven) Unionsbürger sind, die am meisten von den mit diesem Verfahren verbundenen Unannehmlichkeiten und Mühen betroffen sein werden.

84.      Insoweit stellt sich die Frage, ob es möglich ist, diese mittelbare Diskriminierung zu rechtfertigen, was die Kommission bestreitet. Dazu vertrete ich, ohne dass es einer eingehenderen Begründung bedürfte, die Ansicht, dass die Notwendigkeit, die Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats zu schützen(75) – so das Argument des Vereinigten Königreichs(76) –, grundsätzlich ausreicht, um die Möglichkeit, zu diesem Zeitpunkt eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts durchzuführen, zu rechtfertigen. Schließlich ist diese Prüfung das Mittel, über das der Aufnahmemitgliedstaat verfügt, um sich Gewissheit zu verschaffen, dass er die hier in Rede stehenden Sozialleistungen nicht Personen gewährt, denen er sie aufgrund der im vorigen Abschnitt dargestellten Erwägungen gar nicht gewähren muss.

85.      Im Ergebnis bin ich grundsätzlich der Ansicht, dass zum einen der Aufnahmemitgliedstaat berechtigt ist, sich gegebenenfalls Gewissheit zu verschaffen, dass ein Unionsbürger zum Zeitpunkt, zu dem er Sozialleistungen wie die in dieser Rechtssache in Rede stehenden beantragt, sich nicht unrechtmäßig im Hoheitsgebiet dieses Staates aufhält – d. h., dass er prinzipiell die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt –, und dass zum anderen die Ungleichbehandlung von britischen Staatsangehörigen und anderen Unionsbürgern, die die genannte Prüfung mit sich bringt, keine durch Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verbotene Diskriminierung darstellt, soweit sie in der soeben dargestellten Weise gerechtfertigt ist.

5.      Zu den Anforderungen an die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat

86.      Die obigen Ausführungen erscheinen mir ausreichend, um die Argumente der Kommission zu verwerfen, die sich auf die grundsätzliche Widerrechtlichkeit der vom britischen Recht vorgesehenen Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts beziehen. Allerdings bedeutet dieses Ergebnis nicht, dass jede mögliche Art einer Rechtmäßigkeitsprüfung akzeptiert werden kann. Vielmehr bin ich der Auffassung, dass eine solche Prüfung nur dann mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wenn sie einer Reihe verfahrensrechtlicher und sogar materiell-rechtlicher Anforderungen genügt, die ich im Folgenden darstellen werde.

87.      Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass die in Rede stehende Prüfung, soweit sie die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit als Teil des Unionsbürgerstatus beeinträchtigen kann, im Einklang mit diesem Grundrecht auszulegen ist und in möglichst wenig einschneidender Weise durchgeführt werden muss.

88.      An dieser Stelle ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es bei der Klage der Kommission nicht um die Streitfrage geht, wie das Vereinigte Königreich diese Prüfung durchzuführen hat. Zwar hat die Kommission dem Vereinigten Königreich vorgeworfen, die Prüfung, die es bezüglich der Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 7 der Richtlinie 2004/38 durchführe, stelle nicht sicher, dass die Umstände des konkreten Falles berücksichtigt würden, wie dies das Urteil Brey(77) verlange. Dieses Argument taucht jedoch erstmals in der Erwiderung der Kommission auf, ohne dass es im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren oder in der Klageschrift vorgetragen worden wäre. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es sich hier nicht um eine neue Begründung handle, sondern lediglich um eines der Elemente, die berücksichtigt werden müssten, um beurteilen zu können, ob die Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts als diskriminierende Maßnahme angemessen sei, um das damit verfolgte Ziel zu erreichen. Dennoch bin ich wie das Vereinigte Königreich der Auffassung, dass es sich um einen neuen Klagegrund handelt, der zu einem Zeitpunkt in das Verfahren eingeführt worden ist, zu dem seine Geltendmachung nach Art. 127 der Verfahrensordnung nicht mehr zulässig war.

89.      Die Kommission hat sich in ihrer Klage darauf konzentriert, die Ansicht zu widerlegen, dass ein Mitgliedstaat bei der Behandlung von Anträgen auf Sozialleistungen wie die hier in Rede stehenden verlangen kann, dass sich die Antragsteller nicht unrechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, und dass er dies auch überprüfen kann. Bei der Klage geht es nicht darum, wie die britischen Behörden unter verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Gesichtspunkten prüfen, ob ein Unionsbürger die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt oder nicht.

90.      Dennoch möchte ich für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung ist, dieses Argument inhaltlich prüfen zu müssen, und auch deshalb, weil das Vereinigte Königreich in der Gegenerwiderung und in der mündlichen Verhandlung einiges für eine Antwort hierauf vorgetragen hat, im Folgenden, wenn auch nicht erschöpfend, einige Erwägungen dazu anstellen.

91.      Unter verfahrensrechtlichem Gesichtspunkt ist die andere Behandlung der Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats, die sich aus der erwähnten Möglichkeit einer Prüfung durch die nationalen Behörden ergibt, mit dem Status der Unionsbürgerschaft und dem Gleichheitsgrundsatz nur insoweit vereinbar, als sie unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgt, d. h. in einer Weise, die dem verfolgten Ziel angemessen, möglichst wenig einschneidend und zur Erreichung des genannten Ziels unbedingt notwendig ist.

92.      Zum anderen ist die Prüfung der nationalen Behörden, ob sich der Antragsteller nicht unrechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhält, im Zusammenhang mit der Bewilligung der in Rede stehenden Sozialleistungen als eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von Unionsbürgern nach der Richtlinie 2004/38 anzusehen, auf die sich deren Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie bezieht, und sie muss daher auch den dort genannten Anforderungen genügen(78).

93.      Wie dem Hinweis des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist, wird die Prüfung, ob die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 für ein Aufenthaltsrecht erfüllt sind, nicht in jedem einzelnen Fall vorgenommen, was meines Erachtens durch Art. 14 Abs. 2 der genannten Richtlinie(79) sogar verboten wäre: Auch wenn alle Personen, die die in Rede stehenden Sozialleistungen beantragen(80), im entsprechenden Formular Angaben machen müssen, aus denen sich ergibt, ob sie ein Aufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat haben, nehmen die britischen Behörden – wie das Vereinigte Königreich in Rn. 21 der Gegenerwiderung ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt hat – nur in Zweifelsfällen diejenigen Prüfungen vor, die erforderlich sind, um festzustellen, ob der Antragsteller die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 (insbesondere ihres Art. 7) erfüllt, d. h. ob er nach Maßgabe der Richtlinie ein Aufenthaltsrecht hat.

94.      Aus den Ausführungen des Vereinigten Königreichs ergibt sich, wie mir scheint, auch nicht, dass dieser Mitgliedstaat von der Vermutung ausgeht, dass die Person, die die hier gegenständlichen Leistungen beantragt, sich unrechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhält, was gegen Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 AEUV verstoßen würde, in denen das Recht der Unionsbürger verankert ist, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Der Status der Unionsbürgerschaft, insbesondere die grundsätzliche Verankerung des Rechts des Unionsbürgers, vorbehaltlich der im Unionsrecht vorgesehenen Bedingungen seinen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines jeden Mitgliedstaats zu nehmen, hindern nämlich das nationale Recht daran, von einem Ansatz auszugehen, der der Vermutung gleichkommen könnte, dass sich ein solcher Bürger nach dem Ablauf der ersten drei Monate und bis zum Erwerb der Daueraufenthaltserlaubnis unrechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates aufhält, wodurch ihm systematisch die Beweislast dafür auferlegt würde, dass dies nicht der Fall ist. Grundsätzlich muss die gegenteilige Vermutung gelten.

95.      Im Übrigen ist, da die legitime Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Antragstellers im Vereinigten Königreich in Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehen ist, die eventuelle Feststellung der nationalen Behörden, dass dieser Unionsbürger kein Aufenthaltsrecht nach der genannten Richtlinie hat, weil er die dort festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt – unabhängig davon, ob dies mit einer Ausweisung einhergeht oder nicht, und trotz ihres rein deklaratorischen Charakters(81) – eine „Entscheidung [im Sinne von Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie], die die Freizügigkeit von Unionsbürgern …beschränkt“(82), was nach dieser Vorschrift zur Folge hat, dass die Garantien von Art. 30 und Art. 31 der Richtlinie greifen.

96.      Dies bedeutet nach meiner Meinung, dass sich die zuständigen Behörden unter diesen Umständen nicht darauf beschränken dürfen, einfach die beantragte Leistung zu verweigern, sondern dass sie außerdem dem Betroffenen nach Art. 30, speziell hinsichtlich der Feststellung, dass er kein Aufenthaltsrecht nach Richtlinie 2004/38 habe, „genau und umfassend“ und „in einer Weise …, dass er deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann“, die Gründe mitteilen müssen, auf die sich diese Feststellung stützt. Gleichzeitig ist anzugeben, bei welchem Gericht oder bei welcher Verwaltungsbehörde und innerhalb welcher Frist der Betroffene einen Rechtsbehelf einlegen kann. Darüber hinaus greifen die in Art. 31 der Richtlinie 2004/38 enthaltenen verfahrensrechtlichen Garantien, die es dem Betroffenen erlauben, die Rechtmäßigkeit der Beurteilung der Verwaltung einer (verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen) Kontrolle zu unterziehen.

97.      Zuletzt ist unter materiell-rechtlichem Gesichtspunkt grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die nationalen Behörden in dem besonderen Fall von wirtschaftlich nicht aktiven Bürgern nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 prüfen müssen, ob diese für sich und ihre Familie „über ausreichende Existenzmittel verfüg[en], so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen“, und eine Krankenversicherung haben. Dazu ist zu bemerken, dass die Tatsache allein, dass ein Unionsbürger Sozialhilfe im Aufnahmemitgliedstaat in Anspruch nimmt, nicht ausreicht, um ihm das Aufenthaltsrecht zu verweigern(83), sondern dass es hierfür notwendig ist, dass er Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nimmt. Bei der Beurteilung dieses Punktes müssen die nationalen Behörden die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Leitlinien beachten – insbesondere die Verpflichtung, die Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, worauf im Urteil Brey(84) verwiesen wird – und gegebenenfalls den Antragsteller über das negative Resultat ihrer Beurteilung nach Maßgabe von Art. 30 der genannten Richtlinie informieren.

98.      Nach alledem bin ich für den Fall, dass nach Auffassung des Gerichtshofs die Rechtmäßigkeit der angefochtenen nationalen Regelung unter diesen Gesichtspunkten zu prüfen sein sollte, der Ansicht, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass das Vereinigte Königreich die soeben aufgeführten formellen und materiellen Bedingungen nicht beachtet hat, so dass auch insoweit die Vertragsverletzungsklage abzuweisen ist.

6.      Zusammenfassung

99.      Im Ergebnis bin ich der Auffassung, dass es keine nach Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verbotene Diskriminierung darstellt, wenn die Regelung eines Mitgliedstaats vorsieht, dass die Behörden des Mitgliedstaats bei der Bearbeitung von Anträgen auf Sozialleistungen wie die Beihilfe für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen und die Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen die Prüfungen durchführen können, die notwendig sind, um sich Gewissheit zu verschaffen, ob der Aufenthalt von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, die diese Leistungen beantragen, im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist. Allerdings müssen die für diese Prüfung zuständigen Behörden unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten in jedem Fall die dargestellten Grundsätze – insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – sowie die Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2, Art. 15 Abs. 1, Art. 30 und Art. 31 der Richtlinie 2004/38 beachten.

V –    Kosten

100. Da ich die Abweisung der Klage vorschlage, sind der Kommission nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Kosten aufzuerlegen.

VI – Ergebnis

101. Daher schlage ich angesichts der vorangehenden Erwägungen dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 166, S. 1).


3 – C‑140/12, EU:C:2013:565.


4 – C‑333/13, EU:C:2014:2358.


5 – C‑67/14, EU:C:2015:597. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache García-Nieto u. a. (C‑299/14, EU:C:2015:366).


6 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77).


7 – C‑140/12, EU:C:2013:565.


8 – Wie das Vereinigte Königreich ausführt, komme die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts (die bei den anderen Sozialleistungen durchaus angewandt werde, die ebenfalls Gegenstand der mit Gründen versehenen Stellungnahme gewesen seien, von der Vertragsverletzungsklage aber nicht mehr umfasst seien) in Wirklichkeit bei den hier in Rede stehenden Leistungen nicht zur Anwendung. Für diese werde verlangt, dass der Antragsteller „sich im Vereinigten Königreich befindet“. Eine der Voraussetzungen, die er erfüllen müsse, um als „sich im Vereinigten Königreich befindend“ angesehen zu werden, sei neben dem Erfordernis, dass er sich physisch dort aufhalte und seinen ordentlichen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat habe, dass er ein Aufenthaltsrecht habe.


9 – Im Gegensatz zum „Aufenthalt“, der nach Art.1 Buchst. k der Verordnung Nr. 883/2004 den „vorübergehenden Aufenthalt“ bezeichnet.


10 – D. h. in Wirklichkeit zur Prüfung, ob sich der Antragsteller im Vereinigten Königreich befindet; vgl. Fn. 8.


11 – C‑73/08, EU:C:2009:396. Die Argumentation der Generalanwältin fand keinen Eingang in das Urteil Bressol u. a. (C‑73/08, EU:C:2010:181). Dort stellte der Gerichtshof fest, dass die fragliche Ungleichbehandlung eine mittelbare Diskriminierung darstellt (Rn. 47).


12 – C‑140/12, EU:C:2013:565. In diesem Urteil kam der Gerichtshof zum Ergebnis, dass die österreichische „Ausgleichszulage zur Ergänzung der Altersrente“, die Gegenstand jener Rechtssache war, sowohl als „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 als auch als „Sozialhilfeleistung“ im Sinne der Richtlinie 2004/38 anzusehen ist. Deshalb erklärte er es prinzipiell für mit dem Unionsrecht vereinbar, das Recht zum Bezug dieser Ausgleichszulage im Fall von Unionsbürgern von dem Nachweis abhängig zu machen, dass sie ein „Recht zum rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich“ haben, um sicherzustellen, dass der Bezug dieser Leistung durch wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger keine übermäßige Belastung für die österreichischen Finanzen darstellt. Allerdings müssen nach Ansicht des Gerichtshofs auf jeden Fall die besonderen Umstände des Einzelfalles geprüft werden, um festzustellen, ob die Gewährung der in Frage stehenden Leistungen an eine Person in der Situation von Herrn Brey eine unangemessene Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems darstellt.


13 – Nr. 35 der Klagebeantwortung.


14 – Nr. 36 der Klagebeantwortung.


15 – C‑140/12, EU:C:2013:565.


16 – C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 71 bis 78.


17 – C‑140/12, EU:C:2013:565.


18 – Auf Französisch „prestations sociales“, was „social benefits“ entspricht; auf Spanisch „prestaciones sociales“.


19 – C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 63 bis 80.


20 – C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 44.


21 – C‑333/13, EU:C:2014:2358.


22 – C‑140/12, EU:C:2013:565.


23 – C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 73.


24 – C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 63 bis 80.


25 – Nr. 21 der Gegenerwiderung.


26 – Vgl. insbesondere S. 3 der Antwort des Vereinigten Königreichs auf die mit Gründen versehene Stellungnahme.


27 – Zur Beihilfe für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen vgl. für Großbritannien Art. 146 des Social Security Contributions and Benefits Act von 1992 und Art. 23 der Child Benefit (General) Regulations von 2006 (in der durch die Child Benefit [General] and the Tax Credits [Residence] [Amendment] Regulations 2014 geänderten Fassung) und für Nordirland Art. 142 des Social Security Contributions and Benefits (Northern Ireland) Act 1992 sowie Art. 27 der oben genannten Child Benefit (General) Regulations (in der geänderten Fassung).


28 – Einzelheiten unter https://www.gov.uk/child-benefit, der Website der Regierung des Vereinigten Königreichs, auf der die Funktionsweise dieser Beihilfe erklärt wird. Nach den Informationen auf dieser Website beträgt die Beihilfe für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen derzeit 20,70 GBP pro Woche für den ersten und 13,70 GBP pro Woche für jeden weiteren Minderjährigen. Vgl. auch die Website https://citizensadvice.org.uk/benefits/children-and-young-people/benefits-for-families-and-children/#h-child-benefit mit praktischen Hinweisen zum Antrag und zum Bezug dieser Beihilfe.


29 – Zur Voraussetzung des Aufenthalts im Fall der Steuergutschrift für unterhaltsberechtigte Minderjährige vgl. Art. 3 der Tax Credits (Residence) Regulations 2003 in der durch die Child Benefit (General) and the Tax Credits (Residence) (Amendment) Regulations 2014 geänderten Fassung.


30 – Entgegen ihrer Bezeichnung handelt es sich bei der Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen um einen Betrag, den die zuständige Verwaltung regelmäßig auf das Bankkonto des Leistungsempfängers einzahlt und der offenbar an deren Eigenschaft als Steuerzahler anknüpft. Auf der Website https://www.gov.uk/child-tax-credit/what-youll-get wird kein konkreter Betrag genannt, weil dieser von bestimmten persönlichen und familiären Umständen abhängt. Weitere Angaben zur Funktionsweise dieser Steuergutschrift unter https://www.citizensadvice.org.uk/benefits/children-and-young-people/benefits-for-families-and-children/#h-child-benefit.


31 – Nr. 6 der Klagebeantwortung des Vereinigten Königreichs


32 – Urteile Hoever und Zachow (C‑245/94 und C‑312/94, EU:C:1996:279, Rn. 27). Vgl. auch Urteil Hughes (C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 22). Zwar hängt der Betrag der Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen von der Höhe des Familieneinkommens und von der Zahl der Kinder ab und entfällt, wenn dieses Einkommen eine bestimmte Höhe überschreitet, doch hat der Gerichtshof bereits im Urteil Hughes (C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 17) festgestellt, dass dies nicht bedeutet, dass die Gewährung dieser Leistung von einer individuellen Einschätzung der persönlichen Bedürfnisse des Antragstellers abhängt, was für die Sozialhilfe charakteristisch ist, da es sich um objektive und gesetzlich definierte Kriterien handelt, die, sobald sie erfüllt sind, den Anspruch auf diese Leistung begründen, ohne dass die zuständige Behörde andere persönliche Umstände berücksichtigen darf.


33 – Vgl. Urteil Hughes (C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 21).


34 – Vgl. diesbezüglich Lenaerts, K., und van Nuffel, P., European Union Law, 3. Aufl., London, Sweet & Maxwell, 2011, S. 269, und Eichenhofer, E., Sozialrecht der Europäischen Union, 3. Aufl., Berlin, Erich Schmidt, 2006, S. 49 und 50 sowie 67 ff.


35 – Über den Inhalt des Gleichheitsgrundsatzes und des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit speziell im Bereich des Sozialversicherungsrechts der Union vgl. Husmann, M., „Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 VO 1408/71 und der Art. 4 und 5 VO 883/2004“, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Nr. 3, 2010, S. 97 ff., und Bokeloh, A., „Die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen in der Europäischen Sozialrechtskoordinierung“, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Nr. 10, 2013, S. 398 ff., sowie Eichenhofer, a. a. O., S. 82 ff. und die dort angeführte Literatur und Rechtsprechung.


36 – Das in der Verordnung Nr. 883/2004 enthaltene System von Kollisionsnormen zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass es dem Gesetzgeber des einzelnen Mitgliedstaats die Befugnis nimmt, Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen seiner nationalen Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalten sollen (Urteil Ten Holder, 302/84, EU:C:1986:242, Rn. 21).


37 – Vgl. entsprechend Urteil Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 38 ff.).


38 – Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass der Ausdruck „Wohnort“ in diesem Sinne den „gewöhnlichen Aufenthalt“ bedeutet, d. h. den Ort, an dem die Betroffenen gewöhnlich wohnen und wo sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, und dass dieser Ausdruck daher einen autonomen, dem Unionsrecht eigenen Begriff darstellt (Urteile B., C‑394/13, EU:C:2014:2199, Rn. 26, und Swaddling, C‑90/97, EU:C:1999:96, Rn. 28 und 29).


39 – Vgl. insbesondere Urteile Swaddling (C‑90/97, EU:C:1999:96. Rn. 29) und Wencel (C‑589/10, EU:C:2013:303, Rn. 45 ff.).


40 – Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 284, S. 1).


41 – Sowohl bei der Beihilfe als auch bei der Steuergutschrift für einen unterhaltsberechtigten Minderjährigen verlangt das nationale Recht, dass der Antragsteller, um Anspruch auf diese Leistungen zu haben, „sich im Vereinigten Königreich befindet“ (wörtlich: „is in Great Britain“ oder Nordirland). Später wird näher festgelegt, dass diese Voraussetzung nur erfüllt ist, wenn der Antragsteller a) sich physisch im Vereinigten Königreich befindet, b) seinen ordentlichen Wohnsitz im Vereinigten Königreich hat und c) über ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich verfügt. Dadurch sind solche Leistungen ausgeschlossen, wenn der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich besitzt, da in diesem Fall Art. 23 Abs. 4 der Child Benefit (General) Regulations 2006 bzw. Art. 3 Abs. 5 der Tax Credits (Residence) Regulations 2003 in Verbindung mit Art. 146 des Social Security Contributions and Benefits Act von 1992 davon ausgehen, dass diese Person sich „nicht“ im Vereinigten Königreich „befindet“.


42 – Das Vereinigte Königreich erkennt dies in Rn. 32 seiner Klagebeantwortung und Rn. 7 der Gegenerwiderung ausdrücklich an.


43 – C‑140/12, EU:C:2013:565.


44 – C‑333/13, EU:C:2014:2358.


45 – Vgl. auch das unlängst ergangene Urteil Alimanovic (C‑67/14, EU:C:2015:597), auf das die Parteien nicht haben Bezug nehmen können, da es nach der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache erlassen wurde.


46 – C‑140/12, EU:C:2013:565.


47 – C‑333/13, EU:C:2014:2358.


48 – Es ist zu berücksichtigen, dass gerade in der Richtlinie 2004/38 – im Fall der wirtschaftlich nicht aktiven Bürger insbesondere in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b – die Bedingungen festgelegt sind, die der Aufnahmemitgliedstaat prüfen muss, um festzustellen, ob eine Person, die Sozialleistungen wie die hier in Rede stehenden (die in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fallen) beantragt, sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet befindet.


49–      C‑67/14, EU:C:2015:597, Rn. 43.


50 – Vgl. insbesondere Urteil Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 58 ff.).


51 – Wodurch sich, wie Generalanwalt Wathelet in Nr. 96 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Dano (C‑333/13, EU:C:2014:341) hervorgehoben hat, zwangsläufig ein „Ungleichbehandlungspotenzial bei der Gewährung der Sozialhilfeleistungen im Verhältnis zwischen den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats und den anderen Unionsbürgern“ ergibt.


52 – C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 57.


53 – Urteile Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 31), D’Hoop (C‑224/98, EU:C:2002:432, Rn. 28) und N. (C‑46/12, EU:C:2013:9725, Rn. 27).


54 – Urteile Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 59) und N. (C‑46/12, EU:C:2013:97, Rn. 28), neben zahlreichen anderen.


55 – C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 60.


56 – Vgl. u. a. Urteile Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493, Rn. 84 ff.), Trojani (C‑456/02, EU:C:2004:488, Rn. 31 ff.) sowie Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 46 und 47).


57 – Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17).


58 – Vgl. diesbezüglich Urteil Wencel (C‑589/10, EU:C:2013:303): Die Grundsätze, die den Vorschriften über die Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zugrunde liegen, sind diejenigen, die der Freizügigkeit immanent sind, deren fundamentaler Grundsatz lautet, dass die Tätigkeit der Union insbesondere die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten umfasst (Rn. 39).


59 – Die Verordnung Nr. 883/2004 harmonisiert nicht die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der sozialen Sicherheit, so dass es grundsätzlich nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten ist festzulegen, welche Leistungen sie wem und unter welchen Bedingungen gewähren. Die genannte Verordnung enthält prinzipiell keine Vorentscheidung über die inhaltlichen Voraussetzungen, die jeder Mitgliedstaat für die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit aufstellt, die nach der Verordnung Gegenstand der Koordinierung sind, sofern die dort festgelegten gemeinsamen Grundsätze beachtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Brey, C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


60 – Dies hat auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt.


61 – Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Dano (C‑333/13, EU:C:2014:341, Nr. 90).


62 – C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 46 und 47.


63 – C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 60 ff.


64 – C‑67/14, EU:C:2015:597.


65 – Vgl. Rn. 33 ihrer Klageschrift.


66 – Rn. 32 der Klageschrift.


67 – Der Gerichtshof hat sich bei zahlreichen Gelegenheiten mit dem Verhältnis zwischen der Freizügigkeit wirtschaftlich nicht aktiver oder arbeitsuchender Unionsbürger und deren Zugang zu Sozialleistungen verschiedener Art beschäftigt. Vgl. insbesondere neben vielen anderen Urteile Martínez Sala (C‑85/96, EU:C:1998:217), Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458), D’Hoop (C‑224/98, EU:C:2002:432), Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172), Trojani (C‑456/02, EU:C:2004:488), Bidar (C‑209/03, EU:C:2005:169), Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344) und vor allem Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565), Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) und Alimanovic (C‑67/14, EU:C:2015:597).


68 – In diesem Sinne kann ich die Behauptung der Kommission in Rn. 18 ihrer Erwiderung nicht teilen, dass bezüglich der Leistungen der sozialen Sicherheit wie der hier in Rede stehenden die Prüfung des rechtmäßigen Aufenthalts eine Einschränkung der Freizügigkeit einführe, die nicht bestünde, wenn ausschließlich die Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts durchgeführt würde.


69 – Vgl. insbesondere Urteil Martínez Sala (C‑85/96, EU:C:1998:217, Rn. 63) („[E]in Unionsbürger, der sich … rechtmäßig im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, [kann sich] in allen vom sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfassten Fällen auf Artikel 6 des Vertrages berufen“) (Hervorhebung nur hier). Diese Feststellung wird in den Urteilen Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 32) und Bidar (C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 32) wörtlich wiederholt. In Rn. 46 des letztgenannten Urteils wird festgestellt: „Artikel 3 der Richtlinie 93/96 hindert jedoch einen Angehörigen eines Mitgliedstaats, der sich gemäß Artikel 18 EG und der Richtlinie 90/364 rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, wo er beabsichtigt, ein Studium aufzunehmen oder fortzuführen, nicht daran, sich während dieses Aufenthalts auf den in Artikel 12 Absatz 1 EG aufgestellten Gleichbehandlungsgrundsatz zu berufen“ (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Urteil Trojani (C‑456/02, EU:C:2004:488) in dem vor der Prüfung der Wirkungen des Gleichbehandlungsgebots im Fall von Herrn Trojani hervorgehoben wird, dass dieser „sich … rechtmäßig in Belgien auf[hält]“ (Rn. 37).


70 – C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 44, worüber im vorliegenden Verfahren zwischen den Parteien heftig gestritten wurde.


71 – C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 69.


72 – Ungeachtet des genaueren Sprachgebrauchs im Urteil Alimanovic (C‑67/14, EU:C:2015:597, Rn. 49), das sich bei dem Hinweis auf Rn. 69 des Urteils Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) in der spanischen Sprachfassung auf „prestaciones de asistencia social“ anstatt auf „prestaciones sociales“ bezieht.


73 – Vgl. hierzu Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358), in dem es heißt: „[D]as eventuelle Vorliegen einer Ungleichbehandlung von Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt Gebrauch gemacht haben, und Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats bei der Gewährung von Sozialleistungen [ist] eine unvermeidliche Folge der Richtlinie 2004/38“ (Rn. 77). Diese Ausführungen wurden aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Wathelet in derselben Rechtssache (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Nrn. 93 und 96) übernommen.


74 – Vgl. auch Art. 19 der Richtlinie 2004/38 zum Daueraufenthalt.


75 – Diesen Zweck hat der Gerichtshof seit dem Urteil Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 44) als legitim anerkannt. Es ist zu berücksichtigen, dass das Ziel, die öffentlichen Finanzen zu schützen, nicht rein wirtschaftlicher Natur ist, denn für den Gerichtshof steht es im Zusammenhang mit dem mittelbaren Ziel, dass das gesamte Niveau der Beihilfe, die dieser Staat gewähren kann, nicht beeinträchtigt wird (Urteile Bidar, C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 56, Brey, C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 61, und Dano, C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 63).


76 – Rn. 37 der Klagebeantwortung.


77 – C‑140/12, EU:C:2013:565, insbesondere Rn. 69.


78 – Nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 steht „Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen … das Aufenthaltsrecht nach den Artikeln 7, 12 und 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. In bestimmten Fällen, in denen begründete Zweifel bestehen, ob der Unionsbürger oder seine Familienangehörigen die Voraussetzungen der Artikel 7, 12 und 13 erfüllen, können die Mitgliedstaaten prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Prüfung wird nicht systematisch durchgeführt.“


79 – Nach den Angaben des Vereinigten Königreichs wird diese Prüfung wie folgt durchgeführt: Der Antragsteller muss auf dem Antragsformular eine Reihe von Angaben machen, aus denen sich ergibt, ob er ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich hat. Nach Eingang des Formulars prüfen die für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Behörden diesen Punkt. In einzelnen Fällen verlangen sie von den Antragstellern Nachweise dafür, dass sie tatsächlich über das Aufenthaltsrecht verfügen, das sich aus den im Formular gemachten Angaben ergibt.


80 – Es ist zu beachten, dass dieses Verfahren nicht nur auf Unionsbürger, sondern auch auf die Staatsangehörigen von Drittländern Anwendung findet, die die in Rede stehenden Familienleistungen beanspruchen können, wenn sie ein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich haben und die Voraussetzungen der physischen Anwesenheit und eines ordentlichen Wohnsitzes in diesem Staat erfüllen.


81 – Der Verlust des Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat nach der Richtlinie 2004/38 folgt automatisch aus der Nichterfüllung der Voraussetzungen, die dort festgelegt sind.


82 – Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 lautet: „Die Verfahren der Artikel 30 und 31 finden sinngemäß auf jede Entscheidung Anwendung, die die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen beschränkt und nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen wird.“ Wie Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Brey (C‑140/12, EU:C:2013:337) hervorgehoben hat, „genießen die Unionsbürger zweifellos die Verfahrensrechte, auf die Art. 15 der Richtlinie verweist und die nicht durch Verfahren umgangen werden können, die nicht nur den Leistungsanspruch der betreffenden Person, sondern auch sein Aufenthaltsrecht im Ganzen zum Gegenstand haben“ (Nr. 93).


83 – Im Gegensatz zu dem, was die deutsche Fassung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der genannten Richtlinie auszudrücken scheint; vgl. dazu Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Brey (140/12, EU:C:2013:337, Nr. 74 ff.).


84 – C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 64 ff. Ich teile auch die von Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen in den Rechtssachen Alimanovic (C‑67/14, EU:C:2015:210, Nr. 107 ff.) und García-Nieto u. a.(C‑299/14, EU:C:2015:366, Nr. 85 ff.) vertretene Ansicht, dass die nationalen Behörden hierfür auch andere aussagekräftige Gesichtspunkte berücksichtigen müssen, die es erlauben, eine tatsächliche Bindung des Unionsbürgers zum Aufnahmemitgliedstaat nachzuweisen (letztlich, ob er in diesen Staat sozial und wirtschaftlich integriert ist, was das Vereinigte Königreich seiner Aussage nach im Endeffekt sicherstellen will), wie etwa eine frühere Berufstätigkeit, eine Aufstellung der in diesem Staat bezahlten Beiträge, die Einschulung der unterhaltsberechtigten Minderjährigen (vgl. die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Ibrahim, C‑310/08, EU:C:2010:80) oder die Existenz von engen Bindungen persönlicher Natur zum betreffenden Mitgliedstaat (vgl. diesbezüglich die Urteile Prete, C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 50, und Stewart, C‑503/09, EU:C:2011:500, Rn. 100).