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Verfahren : 2015/3034(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B8-0043/2016

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 21/01/2016 - 8.4
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P8_TA(2016)0019

Angenommene Texte
PDF 178kWORD 71k
Donnerstag, 21. Januar 2016 - Straßburg
Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 EUV)
P8_TA(2016)0019RC-B8-0043/2016

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Januar 2016 zur Anwendung der Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 EUV) (2015/3034(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Titel V des Vertrags über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 42 Absatz 7,

–  gestützt auf Artikel 2 Absatz 4 und Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. November 2012 zu den EU-Klauseln über die gegenseitige Verteidigung und Solidarität: politische und operationelle Dimensionen(1),

–  gestützt auf die Charta der Vereinten Nationen, insbesondere auf die Bestimmungen von Kapitel VII und Artikel 51,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten der Französischen Republik vor dem Kongress des französischen Parlaments am 16. November 2015, dass Frankreich sich im Kriegszustand befinde,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen zu Verteidigung und Sicherheit, die auf den Tagungen des Europäischen Rates vom 19./20. Dezember 2013 und 25./26. Juni 2015 angenommen wurden,

–  unter Hinweis auf die Ergebnisse der Tagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ (der Verteidigungsminister) vom 17. November 2015,

–  gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass am 13. November 2015 in Paris mehrere Terroranschläge verübt wurden, bei denen mindestens 130 Menschen – Staatsangehörige mehr als 26 unterschiedlicher Länder – ums Leben kamen; in der Erwägung, dass die EU-Mitgliedstaaten seit 2004 Zielscheibe mehrerer Terroranschläge waren, bei denen Hunderte getötet und Tausende verletzt wurden;

B.  in der Erwägung, dass die französische Regierung nach den Pariser Terroranschlägen vom 13. November 2015 offiziell um Anwendung der Beistandsklausel nach Artikel 42 Absatz 7 EUV ersucht hat;

C.  in der Erwägung, dass Solidarität, Hilfe und Beistand zwischen den Mitgliedstaaten, auch bei der Inanspruchnahme von EU-Instrumenten, zu den Grundlagen der Union gehören;

D.  in der Erwägung, dass die EU-Mitgliedstaaten Frankreich aufgrund seines Ersuchens um Anwendung der Beistandsklausel alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung schulden – im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen; in der Erwägung, dass die Verhinderung von Konflikten und Angriffen der Auseinandersetzung mit ihren Folgen vorzuziehen ist;

E.  in der Erwägung, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu den Prioritäten der EU gehört; in der Erwägung, dass zur Umsetzung des Grundsatzes der Solidarität sowohl interne als auch externe Maßnahmen notwendig sind; in der Erwägung, dass die interne und die externe Dimension der EU-Sicherheitspolitik notwendigerweise und eng miteinander verknüpft sind; in der Erwägung, dass es in der EU eine gemeinsame Strategie geben muss;

F.  in der Erwägung, dass die in den Verträgen vorgesehene Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur bisher nicht vollständig umgesetzt wurde; in der Erwägung, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, in der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik Fortschritte zu bewirken;

G.  in der Erwägung, dass die EU die Zusammenarbeit mit der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) verstärken muss, um die Kompatibilität der Sicherheits- und Verteidigungsmaßnahmen der beiden Organisationen vor allem im Fall eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, einschließlich Terroranschläge, zu erhöhen;

H.  in der Erwägung, dass die EU-Institutionen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik stärker aktiv werden und sich für die Umsetzung aller in den Verträgen vorgesehenen sicherheits- und verteidigungspolitischen Maßnahmen einsetzen müssen, und zwar auch von Maßnahmen, bei denen es um die besondere Rolle der NATO in der europäischen und der transatlantischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik geht; in der Erwägung, dass die EU-Institutionen die Mitgliedstaaten in ihrem Bemühen um die uneingeschränkte Umsetzung dieser Bestimmungen unterstützen müssen;

I.  in der Erwägung, dass Artikel 42 Absatz 6 EUV über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit von jenen Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden sollte, die stärker kooperieren möchten;

J.  in der Erwägung, dass die EU eine Strategie zur Terrorismusbekämpfung angenommen hat, die sowohl auf Instrumenten der Gemeinschaft als auch auf zwischenstaatlichen Ressourcen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) beruht; in der Erwägung, dass im Rahmen dieser Strategie geplant ist, die Maßnahmen der EU nach vier Zielsetzungen – Prävention, Schutz, Verfolgung und Reaktion – zu organisieren;

K.  in der Erwägung, dass die Reaktion der EU auf den Terrorismus auch die Förderung der Demokratie, des Dialogs und der verantwortungsvollen Regierungsführung umfasst, weil bei den Ursachen des gewalttätigen Extremismus angesetzt werden soll;

1.  verurteilt die von Da'isch verübten grausamen Terroranschläge aufs Schärfste; spricht den Opfern der Terroranschläge und ihren Angehörigen seine tiefste Anteilnahme, seine Solidarität und sein Beileid aus;

2.  nimmt die einhellige Unterstützung Frankreichs durch die EU-Mitgliedstaaten zur Kenntnis und begrüßt diese Unterstützung; begrüßt die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, alle erforderliche Hilfe und Unterstützung zu leisten;

3.  stellt fest, dass die Beistandsklausel zum ersten Mal in Anspruch genommen wurde; weist darauf hin, dass der aktuelle Fall als Anlass dienen sollte, um eine gründlichere politische Auseinandersetzung mit der Multidimensionalität der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik anzustoßen;

4.  stellt mit Zufriedenheit fest, dass zusätzliche Unterstützung geleistet wurde, indem Kapazitäten für die Terrorismusbekämpfung bereitgestellt wurden; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre bedingungslose und dauerhafte Unterstützung fortzusetzen und die Hilfeleistungen, so lange dies nötig ist, aufrecht zu erhalten; weist auf die Rolle Frankreichs als Katalysator bei diesem gemeinsamen Unterfangen hin, und fordert die zuständigen EU-Institutionen auf, die gebotene Unterstützung zu leisten und aufrecht zu erhalten;

5.  ist der Auffassung, dass die Anwendung der Beistands- und der Solidaritätsklausel nach den Verträgen in erster Linie eine politische Angelegenheit ist; hebt hervor, dass die politischen Aussprachen im Fall einer Beanspruchung dieser Klauseln im Rat und im Europäischen Parlament geführt werden müssen;

6.  weist mit Besorgnis darauf hin, dass Hilfe und Unterstützung im Rahmen der Beistandsklausel nicht von allen Mitgliedstaaten auf der bilateralen Ebene abgewickelt werden können – wie der gegenwärtige Fall zeigt; fordert den Europäischen Rat aus diesem Grund auf, sich für eine Ausweitung der Beistandsklausel einzusetzen und auf die Vermittlerrolle der einschlägigen EU-Institutionen zu setzen;

7.  weist darauf hin, dass es der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik nahegelegt hat, praktische Maßnahmen und Leitlinien vorzuschlagen, damit bei Inanspruchnahme der Beistandsklausel durch einen Mitgliedstaat eine wirksame Lösung sichergestellt ist, und im Rahmen einer Untersuchung zu klären, welche Rolle den EU-Institutionen in einem solchen Fall zukommt; bedauert jedoch, dass weder Untersuchungen noch Leitlinien vorlagen, als die Beistandsklausel erstmals in Anspruch genommen wurde, sodass in der gegenwärtigen Situation auf Ad-hoc-Maßnahmen, Ad-hoc-Strukturen und Ad-hoc-Zusammenschlüsse zurückgegriffen werden muss;

8.  ist der Ansicht, dass die Festlegung praktischer Maßnahmen und Leitlinien mit Blick auf künftige Fälle einer Anwendung der Beistandsklausel eine vordringliche Aufgabe bleibt; hebt hervor, dass bei der Erarbeitung solcher Leitlinien den Erfahrungen im Zusammenhang mit der erstmaligen Anwendung von Artikel 42 Absatz 7 Rechnung getragen werden sollte;

9.  fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, umgehend einen strategischen Rahmen zu erarbeiten und zu erlassen, der bei der Anwendung von Artikel 42 Absatz 7 EUV der Orientierung dient und in dem ein Zeitplan, eine Überprüfungsklausel sowie Überwachungsmechanismen vorgesehen sind; ist fest davon überzeugt, dass der Rat und gleichzeitig auch die Öffentlichkeit über alle einzelstaatlichen, bilateralen oder multilateralen Maßnahmen infolge der Anwendung von Artikel 42 Absatz 7 informiert werden sollten;

10.  weist darauf hin, dass Frankreich und anderen an der Terrorismusbekämpfung direkt beteiligten Mitgliedstaaten bei Inanspruchnahme der Solidaritätsklausel nach Artikel 222 AEUV alle einschlägigen EU-Instrumente zur Verfügung gestellt werden könnten; weist darauf hin, dass Artikel 222 AEUV direkt für Folgemaßnahmen nach Terroranschlägen in Europa vorgesehen ist und den Fall einer mangelhaften Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den einzelstaatlichen Strafverfolgungsbehörden in Europa abdeckt;

11.  ist der Überzeugung, dass die EU – nach dem Vorbild der in den Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene bereits bestehenden Kapazitäten – ein ständiges zivil-militärisches Hauptquartier für die strategische und die operative Ebene benötigt, und dass diese Struktur mit der strategischen und operativen Notfallplanung beauftragt werden sollte, und zwar auch im Fall der gemeinsamen Verteidigung nach Artikel 42 Absatz 7 und Artikel 42 Absatz 2 EUV und in jenen Fällen, in denen diese Klausel in Zukunft in enger Zusammenarbeit mit den einschlägigen Strukturen der NATO zur Anwendung kommt;

12.  ist der Ansicht, dass die derzeitige Anwendung von Artikel 42 Absatz 7 EUV zum Anlass genommen werden sollte, um fortan das Potenzial aller sicherheits- und verteidigungspolitischen Vertragsbestimmungen zu erschließen; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Verteidigungspaket – die Richtlinie 2009/81/EG über die Vergabe von Aufträgen im Bereich Verteidigung und die Richtlinie 2009/43/EG über die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern – umfassend und vorschriftsmäßig zur Anwendung gebracht werden muss;

13.  fordert alle europäischen Staaten auf, bei der Terrorismusbekämpfung weiterhin alle erdenkliche Unterstützung zu leisten und sowohl innen- als auch außenpolitisch eine harte Linie zu verfolgen;

14.  ist äußerst besorgt über die Tatsache, dass die zentralen Akteure der Pariser Anschläge offensichtlich EU-Bürger sind, die in der EU geboren wurden und dort auch gelebt haben, und fordert aus diesem Grund, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden, um die Bewegungen von Waffen, Sprengstoffen und Terrorverdächtigen zu überwachen;

15.  fordert die Mitgliedstaaten auf, einen strukturierten Informationsaustausch und eine operative Zusammenarbeit zwischen Grenzschutz-, Polizei- und anderen Strafverfolgungsbehörden aufzubauen und für den Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu sorgen, indem sie Verbindungen zwischen den nationalen Datenbanken einrichten, vorhandene Strukturen wie die Netzanwendung für sicheren Datenaustausch (SIENA) von Europol umfassend nutzen und die Nutzung anderer Europol-Plattformen und ‑Dienste optimieren;

16.  fordert nachdrücklich, dass im Hinblick auf eine Deradikalisierung (auch auf junge Menschen ausgerichtete einzelstaatliche Maßnahmen), die Prävention von gewaltsamem Extremismus und die Terrorismusbekämpfung ein breiter Ansatz verfolgt werden muss, der auf die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und Kriminalprävention sowie auf gezielte Polizeiarbeit und Sicherheitsmaßnahmen ausgerichtet ist – und zwar in jedem Verdachtsfall bzw. bei jeder konkreten Bedrohung, die nicht von Maschinen, sondern von Menschen festgestellt wird; betont ferner, dass die Bestimmungen über den Erwerb und den Besitz von Waffen, die Ausfuhrbestimmungen und die Bekämpfung des Waffenschmuggels verschärft werden müssen;

17.  fordert, dass in Absprache mit den einschlägigen Akteuren eine gemeinsame EU-Außenpolitik zur Zukunft Syriens sowie des gesamten Nahen Ostens vereinbart wird; ist der Ansicht, dass diese Politik fester Bestandteil der globalen EU-Strategie sein sollte;

18.  erachtet die Anwendung der Beistandsklausel als einzigartige Chance, die Grundlagen für eine starke und tragfähige Europäische Verteidigungsunion zu schaffen; ist der Ansicht, dass die EU gegen die gewaltigen internen und externen Sicherheitsbedrohungen und Herausforderungen nur gewappnet ist und darauf nur entsprechend reagieren kann, wenn sie über eigenständige Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten verfügt;

19.  beauftragt seinen Präsidenten, die vorliegende Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Präsidenten der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Generalsekretär der Nordatlantikvertrags-Organisation, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und dem Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten zu übermitteln.

(1) ABl. C 419 vom 16.12.2015, S. 138.

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